Wie lässt sich eine Defensiv Strategie in einen Aktionsplan verwandeln
Ich würde nie über einen Vortrag nachdenken, der um die Begrifflichkeit des Krieges kreist, hätte mich nicht dieser Anruf erreicht. Seitdem höre ich mich unaufhörlich sagen: du musst angriffslustiger werden, du brauchst mehr Krieg, mehr Aggression, eine größere Bandbreite von Waffen als nur die der verbalen Kommunikation, um aufs Schlachtfeld zu ziehen. Hast du nicht etwas wofür du kämpfst? Aber das Konzept des Krieges ist mir fremd. Als mögliche Strategie, um bestimmte Ziele zu erreichen von denen ich sage, ich will um sie kämpfen, hab ich es komplett verworfen. Offensiv die Grenzen anderer zu überschreiten, um gewaltsam meine Position auszudehnen, eine Spur mentaler oder physischer Verluste und Verletzungen zu hinterlassen, ist etwas, was mir völlig fremd ist. Ich halte mich für jemanden, der aufbaut, austauscht und in Umlauf bringt und nicht ein Bollwerk errichtet. Ich will Dinge zugänglich und verfügbar machen, Gelegenheiten schaffen. Nicht kastrieren oder auslöschen. Das Konzept der Festung erscheint mir absonderlich. Ich ziehe bewegliche Grenzen vor, poröse, die durchlässig sind und Durchlässigkeit zulassen. Geschützt zu werden von Anpassungsfähigkeit, Beweglichkeit, vom Möglichen, dem Potentiellen, dem Vielen und nicht von Mauern und Stacheldraht, das ist es was ich anzubieten habe.
Dies sind alles nette Ziele. Aber bin ich effektiv genug? Sind all diese Ziele nicht einfach Ausdruck meiner selbst, eine modernere Form der Ausdrucksweise als die der alten Künstler, deren Kunst ihre persönliche Wut, Angst oder Hoffnung ausdrückte?
Bräuchte ich einen Friedrich den Großen, der am Vorabend einer Schlacht einen zögerlichen jungen Offizier tadelte: "Hunde, wollt ihr ewig leben"? Dieser Tor. Und weiß ich etwa nicht, dass Sarpedon zu Glaukos im zwölften Buch der Ilias sagt: "Mein Freund, wenn du und ich dieser Schlacht entfliehen könnten und für ewig leben, alterslos und unsterblich, was mich betrifft, ich würde nie wieder kämpfen... Aber tausende Tote umringen uns und kein Mann kann ihm entfliehen. Also lass uns in die Schlacht ziehen. Aber tausende Tote umringen uns und kein Mann kann ihm entfliehen. Aber ich kann Aber ich kann Aber ich kann...
Die wenigen Überlebenden des 17ten Lancers Bataillon, denen es gelang zur feindlichen Truppe vorzudringen, durchbohrten mit ihren Lanzen den Verräter den sie ausgemacht hatten. Kriegsschiffe ändern ihren Kurs, gehen auf Distanz und lassen eine Nebelwand hinter sich.
Er wollte unauffindbar sein, unaufhörlich zwischen allem, immer in Bewegung, im ständigen Bewusstsein um das Mögliche. Die meisten Menschen, sagte er, begreifen sich als Flughäfen oder Bahnhöfe und nicht als Flugzeuge oder Züge zwischen Flughäfen, ich verstehe mich lieber als Flugzeug und weniger als Flughafen. Ich möchte gern beides sein, sagte die Lady. Ja, ja, stimmte er eilfertig zu. Ja, natürlich beides: Das Eine (das bin ich) und das Andere (das bist du). Zugleich, in derselben Zeit, doch in einer selben aus den Fugen gegangenen Zeit, vergißt das oder Eine, sich an sich selbst zu erinnern, es wahrt und tilgt das Archiv dieser Ungerechtigkeit, die er oder sie ist. Dieser Gewalt, die es macht. Ja, ja, Hoffnung gehörte dem kleinen Jungen, aber er vergaß, dass es wichtig ist zu wissen, zu wem er gehöre, welche dunklen Mächte das Recht hätten Anspruch an ihn zu erheben. Sobald es Eines gibt, gibt es Mord, Verletzung, Traumatisierung. Der, das Eine hütet sich vor dem anderen. Der, das Eine wird Gewalt, tut sich Gewalt an. Er, es wird das, was er, es ist, die Gewalt selbst - die er, es auf diese Weise wird. Der, das Eine befindet sich im Krieg mit sich selbst, nicht mit dem, der Anderen. Das ist das Missverständnis. Der Krieg ist immer schon da: zu Hause.
Man fordert mich auf, über Strategien nachzudenken, um zu bekämpfen was heute Ausnahmezustand genannt und zur Regel wird. Jeder Ausnahmezustand der andauert wird zur Regel durch die bloße Tatsache, dass er andauert. Eine Ausnahme muss überdacht werden. Nein, das ist nicht genug, überdenken. Sie muss sich verändern, um ihren Status als Ausnahme zu halten. Die Regel will die Ausnahme töten. Es gibt die Regel der europäischen Kultur (oder der amerikanischen), die nichts anderes im Sinn hat als Ausnahmen zu töten.
So, sagt er zu sich selbst, so, mein Junge, du hast also etwas zu verteidigen. Ja, ja, ich habe in der Tat etwas zu verteidigen. Also, worauf wartest du? Greif an! Aber er steht einfach nur da, zieht die Augenbrauen nach oben: attackieren, attackieren, bloß wozu? Ich sagte: Ich hab etwas zu verteidigen. Also wartest du auf den schönen Moment in dem ein Angriff gegen die Weltordnung eingeleitet wird?
Nein, ich warte auf den Moment, in dem ein Angriff gegen mich, meine Werte eingeleitet wird. Die Verteidigung braucht einen Angriff um in Bewegung zu kommen. Aber der Angriff ist bereits da, schrie sie, siehst du das nicht, blinder Mann? Du bist bereits unter ständigem Beschuss.
Und er sah sie mit diesem verschleierten Blick des blinden Mannes an. Er bemerkte alles, alle Ungereimtheit, alles, was er Ungerechtigkeit nannte, aber er fühlte sich nicht angegriffen. Ich habe all jene nie recht verstanden, die sich mir so oft genähert haben, sagte sie, um diese feine Truppe um mich herum in einem sinnlosen Angriff zu verschwenden. Ich gebe zu ich war diejenige, die den Moment und die Zielrichtung des Angriffs bestimmte, und ich übernehme die volle Verantwortung für all das was geschehen ist. Aber was hast du erwartet? Dachten wir, wir könnten uns raushalten einen Feind zu bekämpfen, der bereits die Schritte für einen Angriff gegen uns eingeleitet hat? All jene, die nie handeln, die auf den Angriff warten, würden gern glauben, das du die Beschaffenheit deiner Mitstreiter einfach bestimmen, und ebenso die Zeit und den Ort, an dem du zum unaufhaltbaren und endgültigen Schlag ausholen kannst. Aber in Wirklichkeit musst du einfach mit dem agieren was grade zur Verfügung steht, einen plötzlichen Angriff lancieren auf eine mehr oder weniger realistisch attackierbare Position, wann immer du eine günstige Gelegenheit siehst; ansonsten driftest du ab und stirbst ohne irgendwas getan zu haben. Ja, ja, es gibt Risiken, aber was zum Teufel, du sagtest du hast was zu verteidigen. Hat Clausewitz nicht bemerkt, "im Krieg kann keine Seite sich je sicher über die Situation der anderen sein. Man muss sich daran gewöhnen, in Übereinstimmung mit bestimmten Wahrscheinlichkeiten zu handeln." Es ist eine Illusion, sagte sie, auf eine Zeit zu warten bis man sich aller Dinge völlig bewusst ist. Hey, wach auf! Diese Gesellschaft, sagt sie, sagtest du, verschwendet sich aufgrund ihrer Konstitution, sie verzehrt sich durch Abspaltung und Ausschluss, sie verschwendet dieses riesige Potential von Energie und Intelligenz von sechs Billionen Bewohnern. Es macht dich wütend, sagtest Du, sagte sie. Nein, es macht dich nicht wütend, es macht dich traurig, es macht Daddy traurig. Und noch lauter fing er an zu singen: Fuck the pain away. Fuck the pain away. Fuck the pain away. Du fickst dir die Aggression aus dem Leib, Mann, das ist die Gewalt, die man sich selbst antut. Und sie begann, ihn anzugreifen, ihn zu schlagen, doch sie hörte unvermittelt auf als sie realisierte, dass es genau das ist, was er brauchte, um jede Form des Handelns zu vermeiden. Nicht er sollte verprügelt werden, sondern sein Geisteszustand. Ihm fehlen einige Anknüpfungspunkte. Aber wie lassen sie sich je verbinden? Sie ist verzweifelt. Sie ist es, die alleine ist. Es ist die Geschichte die sie allein gelassen hat, nicht er, der bequem mit Versprechungen und Hoffnungen lebt, für seine gute Sache.
Schwarze Milch der Frühe, wir trinken sie abends, wir trinken sie mittags und morgens, wir trinken sie nachts, wir trinken und trinken. Wir, wir trinken Milch. Aber ein Mann wohnt im Haus, der spielt mit den Schlangen, der schreibt, der schreibt wenn es dunkelt in seinem Land: dein goldenes Haar, Margarete, schreibt er und tritt vor das Haus, die Sterne blitzen, er pfeift seine Hunde herbei und er befiehlt uns: spiele, spiele laut und tanze... Aber tausende Tote umringen uns, sagte Sarpano, und kein Mann kann ihm entfliehen. Also lass uns in die Schlacht ziehen.
Und erneut ergriff ihn eine unbestimmte Traurigkeit. Die Traurigkeit, nicht zu wissen was zu tun ist. Die Traurigkeit über das Unvermögen handlungsfähig zu werden. Er musste etwas tun, da hatte sie recht, aber um Himmels willen was, wenn nicht angreifen, aber was?
Ich brauche einige gute Ideen, denkt er. Einstein! Und wir sehen, wie er sich rückwärts auf die Couch wirft. Sein Hauskleid öffnet sich beim Fallen. Seine Genitalien liegen offen da in all ihrer Pracht. Wir sehen wie er versucht, Einstein in sein Hirn zu bekommen, als würde er seinen Schädel öffnen, er entspannt sich vollkommen (sein Schwanz schwillt an), er lässt so viel Sauerstoff wie möglich in sein Gehirn, er versucht die Krümmung der Membrane zu öffnen, um jene Gedanken entstehen zu lassen, die normalerweise nicht durchkommen. Dies wird nicht durch Drogen stimuliert, nein, es ist pure natürliche Konzentration in einer Art Zustand von Extrementspannung. Er aktiviert die Synapsen in seinem Gehirn, die so erregt erbeben wie ein fickriger eitler Pfau seinen Schweif zur Schau stellt. Die Synapsen befinden sich im äußersten Zustand der Begierde nach Wissen, um all die Gedanken zu verknüpfen, die die Welt retten könnten. Diese Offenheit seines Geistes, gepaart mit seinem kräftigen und harten Schwanz, geben ihm das Gefühl von Größe und Aktivität. Er sagt zu sich selbst, morgen werde ich eine revolutionäre Zelle gründen. Dieses ganze Unterfangen erschöpfte ihn so sehr, dass er zu Bett geht und voller Zuversicht einschläft.
Und sie, sie blieb die ganze Nacht auf. Sie rekapitulierte was geschehen war. Er sagt, er habe etwas zu verteidigen: die Verschwendung von Energie und Intelligenz, verursacht durch Strategien der Abspaltung und Ausschließung. Es ist riesig. Er will die Welt verändern. Weiß nicht wo anfangen. Will eh nicht angreifen. Er habe etwas zu verteidigen, sagt er, aber will sich nicht vergehen. Aber wenn du sagst, du hast etwas zu verteidigen, dann hast du auch etwas wofür du kämpfst, oder etwa nicht? Aber er will nicht kämpfen. Er wartet bis er attackiert wird. Aber er wurde bereits attackiert. Diese Verschwendung von Energie und Intelligenz, sagt er, und das macht ihn rasend, ist das Resultat eines Angriffs. Dies ist kein natürliches Phänomen. Es ist das Produkt von Umständen. Bescheiß dich nicht. Tausende Tote umringen uns und kein Mann kann ihm entfliehen. Also lass uns in die Schlacht ziehen. Aber er sieht den Angriff nicht. Ein Angriff, seiner Vorstellung nach, muss sich plastisch manifestieren, als gewalttätiger und grausamer Übergriff. Nicht diese gesichtslosen spin-offs des neoliberalen Kapitalismus, der herrschenden Kultur, die alle Ausnahmen frisst, in Form undurchschaubarer Attacken, für die jeder und niemand verantwortlich scheint. Er braucht das grausame Gesicht eines Feindes bevor er handlungsfähig wird. Er sieht zu viele Filme. In Zeiten des Präzisionsbombardement sind grausame Gesichter ebenso unsichtbar wie Flugzeuge, die Bomben abwerfen. Ich werde ihn nie mobilisieren können, denkt sie. Aber er könnte zumindest Verantwortung für seine Interventionen übernehmen. Er sollte sie führen wie ein Office. Das Office ist er, und er beurteilt das Verhältnis zwischen seiner Investition und der Effektivität. Wenn der Einsatz von Gewalt als Konzept nicht in Betracht gezogen wird, dann vielleicht das Militär. Ich meine hinsichtlich der Disziplin, Effektivität und Zielorientiertheit. Zieht er ernsthaft genug die Effektivität seiner Taten in Betracht? Nein, natürlich nicht, er erlaubt es sich, mit der guten Sache, um die es ihm geht, herumzuspielen. Dann und wann einen kleinen Erfolg zu feiern. Aber nichts bindet ihn. Er ist frei. An der Dinner Tafel kann er mit Überzeugungskraft reden. Er weiß was falsch ist. Aber nie beurteilt er die Effekte seiner Arbeit. Er führt die Aktion um die gute Sache, nach der er aus ist, nicht als diszipliniertes Business, als strategische Operation, er ist schlicht sehr beschäftigt damit, sehr beschäftigt. Es ist zeitintensiv, ja, er ist beschäftigt, aber er fragt nicht nach Ergebnissen. Er kann nicht scheitern, nicht Pleite gehen, da er kein strategic office führt; er ist ein frei flottierender Operator. Agierend mit den Wellen seines Zorns. Nur um sich gut zu fühlen und gut zu sein. Aber die Ergebnisse seines Tuns werden nie überprüft, nur erhofft. Die dunklen Mächte, von denen er ergriffen ist, sind die Mächte des Flexiblen, Nomaden, des Anpassungsfähigen und Bequemen. Die flexible Welt, die er so gern erschaffen würde, ist genau die Welt die ihn lähmt, handlungsfähig zu werden. So lange er nicht sein Ziel, eine flexible, bewegliche, grenzenlose Welt, mit Disziplin, Ergebnisorientiertheit und strategischer Einschätzungsfähigkeit vermählt, wird er weiterhin nur sich selbst dienen. Und fortfahren, seine gute Sache auf Hungerdiät zu halten. Hör zu, Mann, denkt sie, wenn die offensive Tat außer Frage steht, dann kann die Offensivität die Effizienz des Office sein, das, für die gute Sache, der Sache, von der du behauptest du willst um sie kämpfen. Führe dein Office der guten Ideen und Konzepte konsequenter. Stecke dir ernsthafter die Ziele und die Effektivität deiner Strategie. Es ist Kriegszeit, Mann. Geh hin und führe das Amt deiner Ideen. Effizienz, beinahe militärische Effizienz kompromittiert weder deine Ziele noch dich, im Gegenteil, es macht sie realisierbar. Business der Tat, nennen wir das. Das Business der Tat als eine militärische Operation. Oder wie wir eine Defensiv Strategie in einen Aktionsplan verwandeln.
Ich habe hier und da Guy Debord, Jean-Luc Godard, Derrida und Celan gebraucht oder paraphrasiert, danke.
Jan Ritsema
Aus dem Englischen von Annett Busch